Aging ohne kaputtmachen Teil 1: Wie geht Rost?

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the schweinhorn
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Aging ohne kaputtmachen Teil 1: Wie geht Rost?

#1

Beitrag von the schweinhorn » 04.03.2022, 19:37

Nachdem hier irgendwer vor ein paar Tagen "Rostlack" erwähnte, dachte ich mir, bevor ihr hier n Haufen Geld für Effektsperenzchen wie Granit-, Rost- etc.Lack ausgebt, rege ich lieber mal zur D.I.Y.-Version an, denn ich persönlich finde all die "Irgendwas-organisches-imitierfarben"
- vor allem Sprays- sehr unüberzeugend und künstlich, am schlimmsten Perlmutt, Marmor, Granit, Grünspan und Rost in aufsteigender Reihenfolge: Perlmutt und Marmor klar wegen unimmitierbarer Struktur-und Verlaufswechsel und auch Granit wird aus der Farbdose zu gleichmäßig/leblos. Aber so Oxidationsdinge wie Grünspan und Rost sind m.E. am schwierigsten als vorgefertigter Effektlack, jedoch am Leichtesten und Realistischsten mit einfachen technischen Tricks und Pinseln zu realisieren. Ich erklär mal kurz den Rost und versuche die Tage mal n filmisches Tutorial zu machen. Aktuell kann ich nur mit dem Fon ein paar gesteampunkte Ikea-Lampen bei meiner Herzdame ablichten, die ich kräftig vergrünspant habe, komme aber aus "coronaren" Gründen- keine Angst, komplett symptomfrei-erstmal nicht nach Hause, Projekte stocken.
Aber genug gefaselt- los geht's:
Man nehme: wasserverdünnbare, deckende Acryl (Schwarz als Base und zum Abdunkeln, ggf.ein paar Tropfen Weiß zum aufhellen, etwas Rot zum Mischen, eine Sorte Braun, etwas Gelb und ein Orange- nein, Gelb und Rot mischen funzt einfach nie zufriedenstellend und zum highlighten braucht man es leuchtend. Dazu etwas Vogelsand, also recht feinen, ein paar alte buschig gewordene Aquarellpinsel, ne alte Zeitung oder n Stück Wellpappe, wenn's schnell gehen soll, nen Föhn, Klarlack.

Erstmal mit Schwarz bzw. dunkelgrau recht tupfig satt- zu den Rändern hin trocken- so unregelmäßig wie es geht an Stellen auftragen, wo es auch logisch ist, daß es da gammelt: Kanten, Nieten, Schrauben, Löcher, Rinnen: alles wo interkristalline Korrosion zwischen verschiedenen Metallen auftaucht, wo sich Kondens- oder Regenwasser sammelt, wo sich Schutzschichten abstoßen- nichts sieht bescheuerter aus als Rost, wo faktisch keiner hinkommen kann.

Beim Auftupfen ruhig bewußt ne unregelmäßige Oberfläche herstellen und zügig- solang das naß und feucht ist unregelmäßig Vogelsand draufstreuen: don't overdo it, aber auch nicht zu schüchtern damit umgehen. Wer es eilig hat: trockenföhnen, Farbe drauf, wiederholen, bis man oberflächentechnisch schönen plastischen Flugrost bis richtigen Gammel hinkriegt. Pinsel auswaschen, und trockenföhnen, wir arbeiten ab jetzt so trocken wie möglich und mit jeder kommenden Stufe trockener. Nennt sich Drybrushing oder Trockenbürsten., mit zunehmend helleren Schichten immer softer gerademal so "abstauben"
Von dunkel nach hell arbeiten, also dunkles Braun im Pinsel verteilen, bis es halb trocken ist auf der Pappe rumpinseln und dann damit tupfend in die Tiefen des Rost in Spe. Wenn ihr fühlt, der Pinsel wird langsam richtig trocken, dann ist der beste Zeitpunkt für rausgewischte Rostablaufspuren, die richtig stufenlos in Nichts ausfaden, wie man sie z.b. von Schiffen an Nieten und besonders an den Augen, in denen man den Anker hochzieht, kennt. Das ist dann auch das einzige mal, wo man richtig pinselt außer aufm Karton zum Pinselvortrocknen. Je trockener der Pinsel wird, desto kräftiger darf getupft und "rumgewuschelt" werden, keine Angst, wenn man auch daneben kleine Flecken und Dots fabriziert, das wird dann eben alles Rost.
In mehreren Stufen via Orange und ggf. minimal Weiß und Gelb zum Brillanz brechen immer heller und immer zaghafter/softer/trockener über die Oberfläche gehen, speziell die plastischen Teile davon, wenn irgendwas zu grell geworden ist, dann halt nochmal in dunkler drüber, aber nur partiell: nicht alles kaputtmachen, speziell leuchtende Oranges gibt es auf Rost zur Genüge. Wichtig ist nur, stets mit nem kraß trockenen Pinsel nach jedem Farbwechsel zu starten, und daher- wenn man nicht alt und grau dabei werden will, ist das wichtigste Tool:

Der Föhn.

Und tunlichst überlackieren, die Schichten sind technisch bedingt sehr dünn. Daß 2K-Hochglanzlack völlig ausscheidet, dürfte jedem klar sein: ich hab in den 80ern n Rennmotorrad im Nietblech/Rost/Einschußlöcherdesign geairbrusht, das in der "MO" abgelichtet wurde, weil es bei den SoundOfSingles-Rennen lief. Keine 2 Wochen später sah ich vor Conrad am Hermannplatz ne technisch ganz ordentlich gemachte Kopie, bei der der Rost jedoch buchstäblich "hinter Glas" war, so fett war der Klarlack: das sah- mit Verlaub- einfach lächerlich aus...

PS.: ich kann jetzt leider nur ein paar Pics vom Fon mit reinstellen von nem Wandbild, das ich in meine Stammkneipe gepinselt hab, wo ein amtlich rostiger Anker stattfindet. Aber morgen lichte ich mal bei Tageslicht die grüngespahnten Steampunklampen ab, ist ja buchstäblich das selbe in grün...
Und wenn ich wieder nach Haus komm, dann mach ich das hier mal in Bildern mit Videoschnipseln.
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