Doppelhalsgitarre mit/ohne Bünde
Verfasst: 16.10.2016, 18:50
Geschätztes Forum!
Gestern habe ich es doch tatsächlich geschafft, ein Projekt abzuschließen, das ich euch jetzt vorstellen möchte. Es handelt sich um eine
(Leichte) Doppelhalsgitarre mit/ohne Bünde - (Light-weight) Doubleneck guitar fretless/fretted
Ein paar einführende Worte
Es ist mein viertes Nebenprojekt, aber mein erster kompletter Selbstbau, da Les Paulownia immer noch nicht fertig ist. (Vielleicht sollte ich alle Projekte als Nebenprojekte beginnen, damit endlich was weitergeht...)
Hintergrund: Altersgemäß (oder altersbedingt?) tendieren wir gelegentlich Richtung Fusion. Mein Bassist als strikter Bündeverweigerer, hält mich auch immer wieder dazu an, gleichfalls auf meine Bünde zu verzichten. So dachte ich, warum nicht ausprobieren? Und weil Fretlessgitarren (zb Vigier) teuer sind, trifft es sich gut, dass mein Hobby der Gitarrenbau ist.
Zum Thema Fretless wäre noch zu bemerken: Fretless Bässe sind wunderbar, fretless Gitarren halte ich aber eigentlich nur für einen netten Schmäh. Deshalb dachte ich bei der Umsetzung (auch weil einfach nur Bünde ziehen unsportlich ist ) gleich an einen Doppelhals fretless-fretted (damit man umsteigen kann, wenn´s einem reicht ).
Da ich eine Doppelhalsgitarre (Bausatz) besitze, kenne ich aber auch den Nachteil dieser Instrumente: Ihr Gewicht.
Sie sehen zwar echt cool aus, aber hängen sich wirklich arg an. Gewichtsreduktion war daher bei der Planung wesentlich.
Bauthread: Ich habe nicht nur aus Zeitgründen keinen erstellt; der Bau war zwar für mich voll von lehrreichen Erfahrungen (und Rückschlägen), aber für die Allgemeinheit eher unspektakulär. Falls es dennoch Interesse an einem Bauabschnitt geben sollte, stelle ich gern etwas ins Forum.
Ein paar technische Daten:
Korpus: Paulownia (2x18mm Plattenbauweise, Titebond PU Leim)
Hälse: Paulownia (34x58mm Regalstollen), eingeleimt (Titebond classic).
Fingerboard fretted: Ebenholz (aufgeleimt mit Titebond), Jumbo Draht
Fretted Markierungen: Pearl Dot inlays
Bunddraht: 2,2mm
Brücke: TOM (no Name)
Fingerboard fretless: Micarta (aufgeklebt mit Epoxy)
Fretless Markierungen: Epoxy (weiß)
Brücke: Wrap-around (No Name)
Side dots: ABS (2mm)
Kopfplatten: Palisanderfurniere (2mm), ~15° Kopfplattenwinkel, Logo Cut-out
Truss rods: Dual way (420mm)
Mensuren: je 628mm
Mechaniken: 2x 3R3L Tulips (Lotmusic)
Pickups: 2x2 "hot rail" style SC-Format Humbucker (Sodial), SC-Rahmen
Elektronik: 1x A500K Volume, 1xB500K Tone (0,47pF), 3x 3-way switches (2x Pickup Selector, 1x Neck Selector), Anschlussbuchse.
Finish: 2K PU Holzhärter (2x), Zwischenschliff, Epoxy Porenfüllung (Mehrfach), Zwischenschliff, Dupli Universal Primer grey, Zwischenschliff, Adler Varicolor Olivgrün, 2K Klarlack, poliert.
Gewicht: 3,36 kg
Ein paar Bilder:
Mit den neuen Rahmen
Ein (unterbelichteter) Blick auf die Kehrseite
Meine beiden Doppelhälse im Vergleich (links Bausatz).
Ein paar Anmerkungen zu Projekt und Bau:
- Die Bilder sind im Sommer entstanden -seitdem arbeite ich an dem Roman hier-, der tatsächliche Bauschluss war aber erst gestern, nachdem die zusätzlichen Pickup Rahmen endlich fertig waren, daher sind auf den meisten Bildern noch die einfachen PU Rahmen zu sehen. Bitte mir nicht nur die mangelnde Fertigkeit beim Fotografieren nachzusehen, sondern auch, dass ich wieder einmal vergessen habe, vor dem Fotografieren die Folien von den Rahmen zu entfernen.
- Dank des hervorragenden Halswinkelrechensheets aus dem Forum, habe ich die Halskonzeption auf Anhieb mit beeindruckender Präzision geschafft; die berechneten Werte kann man Nachmessen - leider habe ich für die Berechnung, die Höhe der Brücken um 7 mm zu hoch angenommen. Die Gründe dafür kann ich nicht mehr nachvollziehen bzw. sind mir nicht mehr erinnerlich, denn ich habe alles genau ausgemessen (und sogar nachgestellt), warum ich trotzdem 7 mm draufgeschlagen habe, bleibt (mir) ein Rätsel. Entsprechend sind die Brücken jetzt um diesen Betrag zu hoch. Da ich die Hälse eingeleimt habe, fällt eine nachträgliche Halswinkelkorrektur wohl aus; da es einfacher wäre, die Gitarre mit richtigen Halswinkeln neu zu bauen. Immerhin leidet (für mich) die Bespielbarkeit nicht darunter.
- Bedingt durch die Höhe der Brücken ist die Saitenlage über den PUs ebenfalls recht hoch. Die Bridgepickups waren dadurch deutlich leiser. Deshalb habe ich Erhöhungen für die PU Rahmen gebaut. Zwei Rahmen wurden innen ausgehöhlt, sodass man die PUs durchstecken konnte, und damit eine Gussform erzeugt. Die Rahmenerhöhungen goss ich aus schwarzem Epoxy und verbaute sie bei den Bridge PUs - die waren dann aber immer noch zu leise, weshalb ich aus schwarzem Plastikglas (Baumarkt) anhand eines Sperrholztemplates noch vier Rahmen zum Aufbocken der PUs gefräst habe. Das war eine ziemliche Sauerei (die Plastikflankerln werden mich wohl noch länger begleiten). Von 8 Rahmen sind vier während der Herstellung draufgegangen und weil meine Geduld dann erschöpft war, habe ich die alten Epoxy Rahmen mit den neuen zusammen verbaut.
- Die Pickups sind für "Coil-Splitting" ausgelegt, aber da die Kabel zu kurz waren, habe ich bei den PUs des fretless Halses längere eingelötet und dabei gleich die Spulen miteinander verbunden; das sparte Platz in den überfüllten Kabelkanälen.
- Micarta als Griffbrettmaterial wurde im Forum ja schon mehrfach als Alternative beschrieben. Es ist angenehm glatt, greift sich gut und abrichten braucht man nur die Seiten. Bearbeitung sonst wie Holz. Bundmarkierungen und Bünde wurden gebohrt bzw. gesägt, anschließend mit weiß gefärbtem Epoxy aufgefüllt (Entfernen der Überstände nach dem Auspolymerisieren mittels scharfer Klinge/Beitel). Anschließend Radius schleifen und fertig. Leider machte ich beim Entfernen des Epoxy einige Hacker und tiefe Kratzer, sodass ich mehr wegschleifen musste als geplant. Dadurch sind ein paar der Markierungen am Rand verschwunden. (Ein Versäger ist auch dabei, i.e. der teilweise breitere "Bund").
- Der Klang des Fretless Micarta Griffbrettes ist interessant. Klingt ein wenig nach Slide Gitarre und (80er) Fretlessbass. Ohne Bünde ist der Ton leiser (Fingerkuppen dämpfen Schwingungen). Die Spielart ist anders, da man ja nicht hinter den Bünden/Bundmarkierungen, sondern eigentlich recht genau auf diesen greifen muss (natürlich entsprechend der Fingerkuppenform). Man gewöhnt sich aber erstaunlich schnell daran.
- Die Hälse und Kopfplatten sind in Les Paul Manier. Weil ich die Halstaschen vorschnell gerade gefräst hatte, musste ich die Halswinkel über die Heels erzeugen (In Zukunft werde ich wieder Halstaschen im Winkel fräsen). Zu Gunsten eines Cut-Out habe ich auf ein Inlay verzichtet; das ist aber wahrscheinlich genau so viel Arbeit. Da ich die Kopfplattenfurniere absetzen wollte, musste ich vor dem Lackieren die Furnierlinie im Bereich der Cut-outs abkleben, was nicht ganz einfach war.
- Ebenso vorschnell, wie ich die Halstaschen fräste, vergaß ich beim Ausprobieren meines neuen extra großen Abrundfräsers, die Anschlussbuchse auszusparen. Die Stelle musste ich später aufdoppeln.
- Das Projekt hat trotz mancher Rückschläge großen Spaß gemacht und wieder einmal habe ich extrem viel gelernt, denn ein Vorteil beim Bau einer Doppelhalsgitarre ist, dass man Vieles doppelt machen muss - weshalb die Lernkurve besonders steil ist
- Nachtrag: Mit 3,36 kg Gewicht, ist das Ziel eine leichte Doppelhalsgitarre zu konzipieren für mich erreicht
Hoffe, sie gefällt euch.
LG, P
Gestern habe ich es doch tatsächlich geschafft, ein Projekt abzuschließen, das ich euch jetzt vorstellen möchte. Es handelt sich um eine
(Leichte) Doppelhalsgitarre mit/ohne Bünde - (Light-weight) Doubleneck guitar fretless/fretted
Ein paar einführende Worte
Es ist mein viertes Nebenprojekt, aber mein erster kompletter Selbstbau, da Les Paulownia immer noch nicht fertig ist. (Vielleicht sollte ich alle Projekte als Nebenprojekte beginnen, damit endlich was weitergeht...)
Hintergrund: Altersgemäß (oder altersbedingt?) tendieren wir gelegentlich Richtung Fusion. Mein Bassist als strikter Bündeverweigerer, hält mich auch immer wieder dazu an, gleichfalls auf meine Bünde zu verzichten. So dachte ich, warum nicht ausprobieren? Und weil Fretlessgitarren (zb Vigier) teuer sind, trifft es sich gut, dass mein Hobby der Gitarrenbau ist.
Zum Thema Fretless wäre noch zu bemerken: Fretless Bässe sind wunderbar, fretless Gitarren halte ich aber eigentlich nur für einen netten Schmäh. Deshalb dachte ich bei der Umsetzung (auch weil einfach nur Bünde ziehen unsportlich ist ) gleich an einen Doppelhals fretless-fretted (damit man umsteigen kann, wenn´s einem reicht ).
Da ich eine Doppelhalsgitarre (Bausatz) besitze, kenne ich aber auch den Nachteil dieser Instrumente: Ihr Gewicht.
Sie sehen zwar echt cool aus, aber hängen sich wirklich arg an. Gewichtsreduktion war daher bei der Planung wesentlich.
Bauthread: Ich habe nicht nur aus Zeitgründen keinen erstellt; der Bau war zwar für mich voll von lehrreichen Erfahrungen (und Rückschlägen), aber für die Allgemeinheit eher unspektakulär. Falls es dennoch Interesse an einem Bauabschnitt geben sollte, stelle ich gern etwas ins Forum.
Ein paar technische Daten:
Korpus: Paulownia (2x18mm Plattenbauweise, Titebond PU Leim)
Hälse: Paulownia (34x58mm Regalstollen), eingeleimt (Titebond classic).
Fingerboard fretted: Ebenholz (aufgeleimt mit Titebond), Jumbo Draht
Fretted Markierungen: Pearl Dot inlays
Bunddraht: 2,2mm
Brücke: TOM (no Name)
Fingerboard fretless: Micarta (aufgeklebt mit Epoxy)
Fretless Markierungen: Epoxy (weiß)
Brücke: Wrap-around (No Name)
Side dots: ABS (2mm)
Kopfplatten: Palisanderfurniere (2mm), ~15° Kopfplattenwinkel, Logo Cut-out
Truss rods: Dual way (420mm)
Mensuren: je 628mm
Mechaniken: 2x 3R3L Tulips (Lotmusic)
Pickups: 2x2 "hot rail" style SC-Format Humbucker (Sodial), SC-Rahmen
Elektronik: 1x A500K Volume, 1xB500K Tone (0,47pF), 3x 3-way switches (2x Pickup Selector, 1x Neck Selector), Anschlussbuchse.
Finish: 2K PU Holzhärter (2x), Zwischenschliff, Epoxy Porenfüllung (Mehrfach), Zwischenschliff, Dupli Universal Primer grey, Zwischenschliff, Adler Varicolor Olivgrün, 2K Klarlack, poliert.
Gewicht: 3,36 kg
Ein paar Bilder:
Mit den neuen Rahmen
Ein (unterbelichteter) Blick auf die Kehrseite
Meine beiden Doppelhälse im Vergleich (links Bausatz).
Ein paar Anmerkungen zu Projekt und Bau:
- Die Bilder sind im Sommer entstanden -seitdem arbeite ich an dem Roman hier-, der tatsächliche Bauschluss war aber erst gestern, nachdem die zusätzlichen Pickup Rahmen endlich fertig waren, daher sind auf den meisten Bildern noch die einfachen PU Rahmen zu sehen. Bitte mir nicht nur die mangelnde Fertigkeit beim Fotografieren nachzusehen, sondern auch, dass ich wieder einmal vergessen habe, vor dem Fotografieren die Folien von den Rahmen zu entfernen.
- Dank des hervorragenden Halswinkelrechensheets aus dem Forum, habe ich die Halskonzeption auf Anhieb mit beeindruckender Präzision geschafft; die berechneten Werte kann man Nachmessen - leider habe ich für die Berechnung, die Höhe der Brücken um 7 mm zu hoch angenommen. Die Gründe dafür kann ich nicht mehr nachvollziehen bzw. sind mir nicht mehr erinnerlich, denn ich habe alles genau ausgemessen (und sogar nachgestellt), warum ich trotzdem 7 mm draufgeschlagen habe, bleibt (mir) ein Rätsel. Entsprechend sind die Brücken jetzt um diesen Betrag zu hoch. Da ich die Hälse eingeleimt habe, fällt eine nachträgliche Halswinkelkorrektur wohl aus; da es einfacher wäre, die Gitarre mit richtigen Halswinkeln neu zu bauen. Immerhin leidet (für mich) die Bespielbarkeit nicht darunter.
- Bedingt durch die Höhe der Brücken ist die Saitenlage über den PUs ebenfalls recht hoch. Die Bridgepickups waren dadurch deutlich leiser. Deshalb habe ich Erhöhungen für die PU Rahmen gebaut. Zwei Rahmen wurden innen ausgehöhlt, sodass man die PUs durchstecken konnte, und damit eine Gussform erzeugt. Die Rahmenerhöhungen goss ich aus schwarzem Epoxy und verbaute sie bei den Bridge PUs - die waren dann aber immer noch zu leise, weshalb ich aus schwarzem Plastikglas (Baumarkt) anhand eines Sperrholztemplates noch vier Rahmen zum Aufbocken der PUs gefräst habe. Das war eine ziemliche Sauerei (die Plastikflankerln werden mich wohl noch länger begleiten). Von 8 Rahmen sind vier während der Herstellung draufgegangen und weil meine Geduld dann erschöpft war, habe ich die alten Epoxy Rahmen mit den neuen zusammen verbaut.
- Die Pickups sind für "Coil-Splitting" ausgelegt, aber da die Kabel zu kurz waren, habe ich bei den PUs des fretless Halses längere eingelötet und dabei gleich die Spulen miteinander verbunden; das sparte Platz in den überfüllten Kabelkanälen.
- Micarta als Griffbrettmaterial wurde im Forum ja schon mehrfach als Alternative beschrieben. Es ist angenehm glatt, greift sich gut und abrichten braucht man nur die Seiten. Bearbeitung sonst wie Holz. Bundmarkierungen und Bünde wurden gebohrt bzw. gesägt, anschließend mit weiß gefärbtem Epoxy aufgefüllt (Entfernen der Überstände nach dem Auspolymerisieren mittels scharfer Klinge/Beitel). Anschließend Radius schleifen und fertig. Leider machte ich beim Entfernen des Epoxy einige Hacker und tiefe Kratzer, sodass ich mehr wegschleifen musste als geplant. Dadurch sind ein paar der Markierungen am Rand verschwunden. (Ein Versäger ist auch dabei, i.e. der teilweise breitere "Bund").
- Der Klang des Fretless Micarta Griffbrettes ist interessant. Klingt ein wenig nach Slide Gitarre und (80er) Fretlessbass. Ohne Bünde ist der Ton leiser (Fingerkuppen dämpfen Schwingungen). Die Spielart ist anders, da man ja nicht hinter den Bünden/Bundmarkierungen, sondern eigentlich recht genau auf diesen greifen muss (natürlich entsprechend der Fingerkuppenform). Man gewöhnt sich aber erstaunlich schnell daran.
- Die Hälse und Kopfplatten sind in Les Paul Manier. Weil ich die Halstaschen vorschnell gerade gefräst hatte, musste ich die Halswinkel über die Heels erzeugen (In Zukunft werde ich wieder Halstaschen im Winkel fräsen). Zu Gunsten eines Cut-Out habe ich auf ein Inlay verzichtet; das ist aber wahrscheinlich genau so viel Arbeit. Da ich die Kopfplattenfurniere absetzen wollte, musste ich vor dem Lackieren die Furnierlinie im Bereich der Cut-outs abkleben, was nicht ganz einfach war.
- Ebenso vorschnell, wie ich die Halstaschen fräste, vergaß ich beim Ausprobieren meines neuen extra großen Abrundfräsers, die Anschlussbuchse auszusparen. Die Stelle musste ich später aufdoppeln.
- Das Projekt hat trotz mancher Rückschläge großen Spaß gemacht und wieder einmal habe ich extrem viel gelernt, denn ein Vorteil beim Bau einer Doppelhalsgitarre ist, dass man Vieles doppelt machen muss - weshalb die Lernkurve besonders steil ist
- Nachtrag: Mit 3,36 kg Gewicht, ist das Ziel eine leichte Doppelhalsgitarre zu konzipieren für mich erreicht
Hoffe, sie gefällt euch.
LG, P