Ziehklingen selber machen

von Hobeln, Sägen und Feilen bis zu Spezialhandwerkzeugen

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Ziehklingen selber machen

#1

Beitrag von cabriolet » 24.05.2020, 17:25

In letzter Zeit kam in verschiedenen Threads immer wieder das Thema "Ziehklingen" auf, und ich habe beiläufig erwähnt, dass man die aus jedem Federstahl-Blech selber machen kann.
Deshalb hier mal ein kleines Nebenprojekt, zwischen Bauwettbewerb und Autoschrauberei.

Da ich kürzlich meine kleinen Ziehklingen verschenkt hatte, mussten neue her. Sonst habe ich die gerne aus Japan-Spachteln gemacht, heute hatte ich aber ein anderes Opfer:
Die meisten hier kennen ja die kleinen Aldi-/Lidl-/Kaufland-Japansägen mit den zwei auswechselbaren Blättern. Eins dieser Blätter hatte ich vor einiger Zeit beim Versuch, damit Pertinax zu sägen, komplett ruiniert:
IMG_2368.JPG
IMG_2370.JPG
Schöner Federstahl, 0,4mm dick. Ideal für kleine Ziehklingen. Das Zeug ist zwar ziemlich widerspenstig, aber ein gewöhnliches Sägeblatt für Metall ist härter :badgrin: . Aber auch das wird bei der Aktion sterben, also eins genommen, das sowieso schon ziemlich stumpf war.

Das Japan-Sägeblatt habe ich einfach an der Werkbank-Kante mit einer Schraubzwinge festgezwungen, mit einer Feile kurz einen Ansatzpunkt für die Säge gefeilt, und gesägt:
IMG_2371.JPG
IMG_2372.JPG
IMG_2373.JPG
Auch die Kante mit den Sägezähnen musste natürlich weg, die Zähne sind aber extra gehärtet. Also entweder am Schleifbock wegschleifen, oder mit ein wenig Abstand zu den gehärteten Zähnen auch einfach absägen. Dabei dann umspannen, damit man nicht in die Arbeitsplatte sägt ;) .
IMG_2374.JPG
Das Ergebnis sieht dann so aus:
IMG_2375.JPG
Dann noch schnell alle scharfen Kanten auf einem Schleifbrett entgratet, die Ecken verrundet (ich gehöre zu denjenigen, die immer nur eine scharfe Kante an der Ziehklinge haben wollen) und...
IMG_2376.JPG
IMG_2377.JPG
...noch eine Ziehklinge aus dem Sägeblatt-Rest gemacht :lol: :
IMG_2378.JPG

Morgen geht´s dann an´s Schärfen. Wie ich das auch mit einfachen Mitteln mache, zeige ich dann auch hier. Heute wird nur noch das nach dieser Aktion völlig stumpfe Sägeblatt in die Schrott-Kiste geschmissen.

Gruß
Markus
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Re: Ziehklingen selber machen

#2

Beitrag von cabriolet » 26.05.2020, 12:26

Witzig, dass die Dokumentation mehr Zeit verschlingt als das Schärfen, deshalb erst heute in Wort und Bild.

Methoden, Ziehklingen zu schärfen, scheint es wie Sand am Meer zu geben, und jedes Video das man sich zum Thema anschaut, stellt wieder andere Dinge als besonders wichtig heraus als das zuvor geschaute.
Das kommt aber zum Teil auch daher, dass jeder eine andere Art der Ziehklinge bevorzugt. Mehrere Schneiden, teils in unterschiedlichen Winkeln, mal für mehr, mal für weniger Spanabnahme...
Allen gemeinsam ist aber, dass die Ziehklingen hinterher wirklich scharf sind.

Das, was ich hier zeige, ist dementsprechend die Vorgehensweise, die ich für die von mir benutzen Ziehklingen bevorzuge. Aber immer mal wieder auch mit Hinweisen, wie man es anders machen sollte, für ein anderes Ergebnis. Und, wie eigentlich immer bei mir, auf´s Nötigste reduziert.
Das heißt, ich muss aber erst einmal sagen, wie meine Ziehklingen überhaupt aussehen ;) .

Meine Ziehklingen haben alle nur einen Grat. Das reduziert erstens die Verletzungsgefahr deutlich, zweitens ist gerade bei selbstgemachten Ziehklingen der Aufwand deutlich geringer, da man nur eine einzige Kante entsprechend vorbereiten muss. Bei gekauften Ziehklingen sieht das anders aus, bei den rechteckigen sind meistens alle vier Kanten entsprechend vorbereitet.
Außerdem habe ich hier zwei recht kleine und flexible Ziehklingen selber gemacht, die für besonders feine Arbeiten gedacht sind. Für die gröberen Sachen habe ich die große dickere 0,8mm-Baumarkt-Ziehklinge.

Zuerst einmal muss ich die Kante, an der ich später die Schneide haben will, vorbereiten. Die ist hier jetzt noch sägerauh, würde ich da sofort einen Grat anziehen, wäre die Schneide schartig wie ein Hobeleisen mit vielen winzigen Ausbrüchen.
Da diese Ziehklingen sehr biegsam sind und man sowieso damit in gebogenem Zustand arbeitet, ist eine hundertprozentig ebene Kante hier garnicht notwendig, aber glatt sollte sie sein. Deshalb reicht hier einfach ein Blatt Schleifpapier auf der Arbeitsplatte aus, ich hatte gerade ein 240er zur Hand.
Immer nur vor und zurück schleifen, damit man die Kante möglichst wenig ballig schleift (ein wenig Balligkeit ist aber auch nicht schlimm).
IMG_2379a.jpg
Damit schleife ich die Sägespuren aus der Kante heraus. Das ist übrigens der langwierigste Teil der Arbeit, hier sind noch Spuren von der Säge zu sehen, die müssen noch weg:
IMG_2380a.jpg
Selbst solche kleinen Kerben sollten noch weg:
IMG_2382a.jpg
Ich schleife hier ungefähr im 90°-Winkel, damit habe ich die Möglichkeit, auf beiden Seiten einen Grat anzuziehen. Auch wenn ich nur einen machen werde ;) . Das gibt mir aber die Möglichkeit, bei stumpfer Klinge einfach die Reste vom Grat wegzuschleifen und auf der anderen Seite den Grat anzuziehen. Dann muss ich nur nach jedem zweiten Grat die Kante wieder neu vorbereiten.
Bei dickeren Klingen, bei denen ich einen stärkeren Grat für groberes Arbeiten will, schleife ich aber gern einen leichten Winkel ein, dann ist natürlich nur ein Grat möglich.

Wenn jetzt alle Sägespuren beseitigt sind, haben sich durch das Schleifen schon auf beiden Seiten Grate gebildet. Die müssen aber weg, weil sie viel zu ungleichmäßig sind.
Dazu steige ich auf feines Schleifpapier um, hier war es 1200er. Damit schleife ich auf beiden Seiten die Grate weg. Das ist mit wenigen Zügen getan, es sollen wirklich nur die Grate weg, mehr nicht.
IMG_2383a.jpg
Dann wird wieder die Kante bearbeitet, auf dem gleichen feinen Papier. Auch hier reichen ein paar wenige Züge, und schon ist meine Ziehklinge fertig vorbereitet zum Grat anziehen.
IMG_2385a.jpg

Da so ein Federstahl ein ganz schön hartes Zeug ist, brauche ich etwas, das noch härter ist und eine möglichst glatte Oberfläche hat. In meinem ganzen Werkzeug-Sammelsurium habe ich mir dafür meine kleinste runde Iwasak ausgeguckt, der Bereich kurz hinter dem "behauenen" Bereich ist hart und glatt genug (hier im Bild mit zurückgezogenem Schaumgummi-Griff):
IMG_2391a.jpg
Bei diesen dünnen Ziehklingen will ich ja nur einen leichten Grat, dazu muss ich die Klinge nichteinmal in einem Schraubstock einspannen oder auf der Arbeitsplatte festzwingen, mit den Fingern auf die Arbeitsplatte gedrückt reicht. Man sollte sie aber über die ganze Breite ein wenig über die Arbeitsplatte herausstehen lassen, und nicht wie im Bild :lol: . Da war die mir einfach für das (gestellte) Foto verrutscht, auch ich habe leider eine Hand zu wenig um gleichzeitig zu fotografieren ;) )
Dann wird das Werkzeug zum Grat anziehen in einem leichten Winkel zur Kante angesetzt. Für einen kleinen Grat wie hier gewünscht reichen etwa 5°, für einen starken Grat darf das auch deutlich mehr sein.
IMG_2386a.jpg
Jetzt reicht es, einmal mit leichtem Druck über die ganze Breite der Klinge zu gehen. Dann noch einmal zurück, und: fertig! Wenn man es nicht schafft, bis ganz an die Ecken zu arbeiten, ist das übrigens nicht schlimm, da man die Klinge beim Arbeiten sowieso immer durchbiegt und damit hauptsächlich mit der Mitte arbeitet.

Das eigentliche Schärfen, nämlich das Grat anziehen, benötigt also nur wenige Sekunden. Die Vorarbeiten haben hier pro Klinge etwa 5 Minuten benötigt.
Ich habe mir dann noch die Kanten markiert, an der der Grat ist.

Meiner Meinung nach reicht die Schärfe so völlig aus, das ist eine gute Gebrauchsschärfe. Das geht auch schärfer, indem man nicht nur zwei Stufen Schleifpapier zum Vorbereiten benutzt, sondern sich durch feinere Abstufungen hocharbeitet und die dabei immer entstehenden Schleif-Grate auch wieder entfernt. Man kann dabei auch noch bis zu 2000er Papier weitergehn und dann zum Grat anziehen einen polierten Stahl benutzen.
Dann kann man sich auch mit einer Ziehklinge rasieren und erzeugt auch wunderschöne hauchfeine Späne beim Arbeiten auf Holz. Diese wunderbare Schärfe ist allerdings nach wenigen Zügen wieder weg, weil wir die Schneide ja nicht speziell gehärtet haben. Auch verschwindet sie von ganz allein ohne Benutzung, allein durch Oxidation. Meiner Meinung nach also völlig unnötiger Aufwand und reine Show.

Und so sehen die Späne jetzt aus, die meine neuen Ziehklingen erzeugen, einmal auf einem grob vorgehobelten Griffbrettrohling aus Nussbaum
IMG_2387.JPG
IMG_2388.JPG
und einmal auf Kiefer-Leimholz:
IMG_2389.JPG
Das gibt hier "Wolle"-artige Späne, weil ich hier ja wirklich nur ganz leichte Grate angezogen habe. Dafür kann ich aber sehr fein und fast ohne Druck arbeiten.

Gruß
Markus
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Re: Ziehklingen selber machen

#3

Beitrag von penfield » 27.05.2020, 08:46

Super Beitrag. Danke!
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