Philosophie der Reparierbarkeit

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vrooom
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Philosophie der Reparierbarkeit

#1

Beitrag von vrooom » 12.06.2020, 10:26

Mir geht ein Gedanke von capricky nicht mehr aus dem Kopf:

Defekte Platinen kann man nur entsorgen. Einen Röhrenverstärker traditioneller Verdrahtungstechnik kann man reparieren.

Man könnte das noch auf die Spitze treiben und sagen:

"Mechanik ist einfach zu verstehen und kann von nahezu allen handwerklich Begabten repariert werden. AnalogElektrik und mehr noch DigitalElektronik ist kompliziert und kann entweder nur von Spezialisten oder - wegen der Miniaturisierung - gar nicht mehr sinnvoll repariert werden."

Fahrräder werden demnach die Meisten nach Möglichkeit selbst reparieren. Bei Gitarrenverstärkern müssen sich die Meisten hingegen fragen, "In welchem Verhältnis steht Soundqualität, Erstanschaffungspreis, durchschnittlicher Nutzbarkeitszeitraum, Garantiezeit, Restteileverwertung und Zweitanschaffungspreis eines Modelers zu Soundqualität, Anschaffungspreis und durchschnittlichen Reparaturpreisen pro Jahr eines Röhrenverstärkers". - Und dabei sehe ich von Gewicht, Schlepperei und Soundvielfalt einmal ganz ab, weil mich allein die Frage nach Mechanik-Elektrik-Elektronik im Verhältnis zu Reparierbarkeit-Preis-Qualität (Sound, oder Art der Gangschaltung, oder Säuberungsgrad elektrisch betriebener Zahnbürsten, usw.) interessiert. - Was hingegen noch einkalkuliert werden müßte, ist das Problem des Abfalls, seiner Entsorgung und der Wiederverwertbarkeit von Komponenten bzw. Rückgewinnung von Rohstoffen.

Ihr merkt schon, ich will das in philosophische Dimensionen treiben :)

Edit: Prinzipiell kann von einem Modeler-Combo im Kaputtfall vielleicht noch der Speaker, das Gehäuse und Kleinteile (Knöpfe, etc.) weiterverwertet werden. - Aber von wem? Natürlich nicht von der Firma, wo man das Gerät gekauft hat, sondern von Bastlern. So ist man auf jeden Fall auf die "Mechanik"-Welt angewiesen, wenn man sparen und der Umwelt etwas Gutes tun will.

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Re: Philosophie der Reparierbarkeit

#2

Beitrag von thoto » 12.06.2020, 10:45

Momentan stehen hier ja eher ökonomische Punkte zur Diskussion, weniger philosophisches, aber ich kann meinen Senf dazugeben:

Anfang des Jahres ging der Amp unseres Bassisten kaputt. Es ist ein digitaler Amp, also Transistoren und so. Dafür auch schön klein, aber bühnentauglich.

Glücklicherweise kennt er jemanden, der sich mit digitaler HiFi auskennt und der hat eine halbe Stunde reingeschaut, eine der Endstufen als Problem identifiziert, ausgetauscht (modulare Bauweise macht's möglich) und für ein paar Euro war das Ding wieder wie neu ud tut seitdem seinen Dienst.

Sein Bekannter hat aber auch gesagt, sein Amp sei schön aufgebaut, deshalb seien einzelne Teile problemlos zu ersetzen, ansonsten hätte er eine Reparatur auch nicht durchführen können.

Mich hat das sehr gefreut, ich bin ja auch ein großer Freund der Instandsetzung anstelle der Ach-schon-2-Jahre-alt-da-muss-was-Neues-her-Mentalität.

Viele (immer mehr) kommen gar nicht mehr auf den Gedanken, dass ein Ding, was seinem eigentlichen Zweck nicht mehr gerecht wird, zu reparieren oder für etwas anderes zu benutzen.
Sehr schade.
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Re: Philosophie der Reparierbarkeit

#3

Beitrag von Reverend Sykes » 12.06.2020, 17:08

Zunächst muß ich mal kurz den (ehemaligen) Radio- und Fernsehtechniker raushängen: Nur weil keine Röhren sondern Transistoren drin sind, ist das noch lange kein digitaler Amp. Digital wird's erst durch den Einsatz von Mikroprozessortechnik. :-p

Nun zum philosophischen: Ich hab hier einen billigst-noname-Amp mit Röhrenvorstufe und Hallspirale von Axl und einen Vox DA5 Modelling-Amp. Letzteren möchte ich nicht mehr missen, denn ich kann bei Zimmerlautstärke brauchbar den Sound von Accept, Megadeth, Metallica, Iron Maiden oder Anthrax reproduzieren, ohne Schwierigkeiten mit den Nachbarn zu bekommen. Das hab ich sonst nur bei höheren Lautstärken (und auch nicht mit dem Axl) hinbekommen. Nach meinem Dafürhalten sind Modelling-Amps ideal als Wohnungsamps.

Ob ich den Vox reparieren könnte, wenn mal was kaputt geht, hängt dabei eher davon ab, ob ich einen Schaltplan auftreiben kann und welches Meßzeug ich in meiner Werkstatt hab. Ich hab Mitte der 90er Jahre auch D-Netz-Handys auf Chiplevel repariert. Daß das nicht mehr gemacht wird, liegt nicht daran, daß die "neue" Technik dies nicht zuließe, sondern daß der Techniker gerne Lohn bezahlt haben möchte, was das ganze Vorhaben unwirtschaftlich macht. Nun wißt Ihr auch, warum ich oben "ehemalig" schrub. ;-)
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Re: Philosophie der Reparierbarkeit

#4

Beitrag von vrooom » 12.06.2020, 17:54

Mechanik-Konzertgitarren-Konzertsäle-Orchester-Liveauftritte-Theater-Ölfarben
versus
Elektrik-EGitarren-Röhrenverstärker-Bands-Schallplatten-TV-Fotografie
versus
Elektronik-Digitalkeyboards-Modeler/Profiler-Solisten an DAWs-MP3s-Internetstreaming-Computergrafik/Virtual Reality

Wenn mir alles zu viel und zu kompliziert wird, bleibt mir die Mechanik-Welt der Newtonschen Physik...
Man kann auch in Möglichkeiten ersaufen, habe ich den Eindruck.
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Re: Philosophie der Reparierbarkeit

#5

Beitrag von thoto » 12.06.2020, 19:03

bussela hat geschrieben:
12.06.2020, 17:08
Zunächst muß ich mal kurz den (ehemaligen) Radio- und Fernsehtechniker raushängen: Nur weil keine Röhren sondern Transistoren drin sind, ist das noch lange kein digitaler Amp. Digital wird's erst durch den Einsatz von Mikroprozessortechnik. :-p
Okay, du hast mich erwischt. Hab nicht nachgedacht. :cry:

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