Aus einem traurigen Anlass etwas Positives herausgezogen:
Anlässlich der Trauerfeier-Vorbereitungen für meinen Vater habe ich für mich überraschend erfahren, dass sein Lieblings-Instrument Cello war. (Was muss ich ihn früher mit der E-Gitarre gequält haben
) Aus diesem Grund spielte im Gedenk-Gottesdienst auch ein Cello neben der Orgel sein Lieblingslied.
Cello hatte mich auch schon früh fasziniert und oft war mein "Gitarren-Ziel-Sound" Cello-ähnlich. Nicht dieser weiche Cello-Ton, sondern eher dieser holzige, etwas knarzige. Wer sich darunter nichts vorstellen kann:
https://www.youtube.com/watch?v=uT3SBzmDxGk
(die erste Minute überstehen, dann wisst Ihr, was ich meine
)
Also wann, wenn nicht jetzt?:
Dieses schöne Teil ist seit heute meins - jetzt heißt es üben - üben - üben.
Ausgesucht aufgrund der Beschreibung und der Bilder bei eBay - angeblich Deutschland vor dem Mauerfall, restliche Daten unbekannt, Preis dementsprechend erträglich. So sollte man zwar kein Cello kaufen, aber ich konnte nicht anders und hatte wohl Glück.
Die Basis sieht schon mal nicht schlecht aus. Alle Hölzer sind massiv, kein Sperrholz. Boden und Decke 2teilig, die Jahresringe der Decke könnten aber noch enger und gleichmäßiger sein.
Egal - ich habe ja gelernt, dass der Charakter eines Instrumens durch die glückliche Kombination seiner Schwächen entsteht
Wie schon vom Verkäufer vorgewarnt war der Stimmstock (das an den Enden der Decken/Bodenkontur angepasste Rundholz, was nahe dem Steg durch Saitendruck zwischen Decke und Boden eingeklemmt ist) umgefallen (Versand mit entspannten Saiten), also normalerweise ein Fall für den Geigenbauer. Ja aber wo sind wir denn hier?
Also fleissig gegoogelt, einige Werkzeuge aus Messingstange und Alurohr gebogen und gefeilt, den alten Zahnarztspiegel reaktiviert, eine Mess-Lehre gebastelt und mit alldem den Stimmstock an die Standard-Position gesetzt. Vorher natürlich den Stachel samt Birne ausgebaut, um die Position/Ausrichtung der Schrägen und die Geradheit besser kontrollieren zu können. Die exakte Position soll wohl viel am Klang ausmachen (Feintuning), aber ein Schritt nach dem anderen. Nach 3 erfolglosen Versuchen hatte ich das Stöckchen dann endlich an der erst mal gewünschten Position.
So ein Stimmstock könnte auch mal eine Idee für eine Akustik sein?
Ein Stimmflügel rutschte durch und hielt die Stimmung nicht, leichte Übung (anrauhen, Kernseife + Kreide). Dann erst mal den Steg positioniert und ausgerichtet und auf Cello-Standard gestimmt: CGDA
Der mitgelieferte Bogen war neu und brachte trotz eifrigem Kolophonieren keinen Laut aus den Saiten. Tante Google sagt, dass man neues Kolophonium erst mal anschleifen/anrauen muss, damit die Bogenhaare es auch annehmen. Ein guter Rat - so funktioniert's.
Wie hoch man die Spannung des Bogens einstellt weiss ich auch noch nicht, also erst mal nach/mit Gefühl.
OK - ich habe nicht den Hauch einer Ahnung von Cello, weiss nicht, wie man den Bogen hält, die Quinten-Stimmung macht mich wahnsinnig und fretless auf einer unbekannten Mensur ist erst mal ambitioniert (ich werde wohl provisorisch für den Anfang einige Markierungen an der Griffbrett-Flanke anbringen).
Aber: Das Teil klingt - und zwar Welten besser, als ich je erwartet hätte. Dieser knarzende, teils ächzende holzige Sound mit süßen Obertönen ist total faszinierend - so sollte eine gut angezerrte Gitarre klingen. Zumindest für meine ungeübten Ohren steht der Klang dem des Cellisten in der Kirche mit seinem > 20.000 Öre Meistercello nicht nach - richtige Cellisten werden das aber wohl anders beurteilen.
Egal - ich finde es toll und bin echt motiviert, zu üben. Das Riff von Thunderstruck spielt sich seltsamerweise fast leichter als auf der Gitarre, aufgrund des permanenten Bogenstrichts müssen die Hammer-ons und pull-offs nicht so exakt sein. Schwieriger ist es nur, die Töne auf ungewohnter Mensur fretless zu treffen. Das kann schon mal zu Ohrenbluten führen.
Ein Nachbar ist pensionierter Cellist, früher im Rundfunk-Symphonieorchester - vielleicht mag der mir ja ein paar Stunden für den Anfang geben.
Die Ähnlichkeiten zwischen Cello und Gitarre sind schon interessant, aber die grundlegenden Unterschiede überwiegen doch deutlich. Also mal eine ganz andere Perspektive und Herangehensweise.
Auf jeden Fall denke ich, dass die Sache meinen alten Herrn doch gefreut hätte.....