2x Truss Rod seriell einbauen. Meinungen, Erfahrung?

Einstellung des Instrumentes: Optimaler Saitenabstand, Bundreinheit usw.
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Slight Return
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2x Truss Rod seriell einbauen. Meinungen, Erfahrung?

#1

Beitrag von Slight Return » 19.11.2018, 17:39

Hallo Zusammen

Bin neu hier, lese aber schon lange immer wieder mit. An dieser Stelle danke ich für alles, was ich von euch lernen durfte :-)
Nun will ich mal mitmischen und in Zukunft eventuell auch von meinen Bauten und Modifikationen berichten. Auch hatte ich in den Jahren, seit ich mich mit dem Instrumentenbau beschäftige, einige Ideen, die sicher für den einen und anderen interessant sein könnten.

Kürzlich habe ich auf Youtube ein interessantes Video gesehen:
"The Railboard™ - Reinventing The Chapman Stick - new two-handed tapping instrument"

Der Entwickler erzählt hier u.a., wie in diesem "Ding" zwei Halsstäbe verbaut sind, die sich in der Mitte des Halses treffen. Einer von unten (Kopf) zugänglich, der andere oben (Korpus). So lassen sich der obere und untere Teil des Halses unabhängig einstellen.

Diese Idee fasziniert mich und ich finde keinen Grund, dies nicht auch im Bass- und Gitarrenbau ein zu setzen: Dadurch, dass der Hals zum Kopf hin schmaler wird, krümmt er sich dort auch mehr. Idealer wäre -meiner Überlegung nach- eine stärkere Krümmung zum Korpus hin.
Mit diesen zwei seriell verbauten Truss Rods liesse sich das umsetzen.

Eine Alternative Idee wäre, einen vom Korpus her zugänglichen Truss Rod zu verbauen, welcher schon irgendwo beim 5. (oder 3., 4....?) Bund endet. Zum Kopf hin könnte man den Hals dann soweit versteiffen, dass sich da kaum mehr eine Krümmung durch den Saitenzug ergeben kann. Der kritische Übergang von Hals zum Kopf kann man somit auch gleich entschärfen.

Klar, die herkömmliche Umsetzung funktioniert offenbar. Somit ist dies eher eine Frage nach dem theoretischen Ideal (welches im Instrumentenbau nicht umbedingt optimal ist). In diesem Fall sehe ich jedoch definitiv Potenzial für eine praktische Optimierung.

Ich bin in der Endphase der Planung für einen neuen Bass, wo ich dies eventuell so bauen will. Allerdings soll es kein "Experiment" sein. Dazu ist mir der Aufwand und das Holz zu schade :-)

Hat das sogar schon mal jemand so gemacht? Was spricht dagegen/dafür?

Gerne würde ich dazu eure Meinungen hören :-)

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Re: 2x Truss Rod seriell einbauen. Meinungen, Erfahrung?

#2

Beitrag von capricky » 19.11.2018, 19:50

Slight Return hat geschrieben:
19.11.2018, 17:39
Dadurch, dass der Hals zum Kopf hin schmaler wird, krümmt er sich dort auch mehr. Idealer wäre -meiner Überlegung nach- eine stärkere Krümmung zum Korpus hin.
Diese stärkere Krümmung zur Kopfplatte hin ist sogar äusserst vorteilhaft, denn die Saite schwingt als Transversalwelle, nicht nur als Grundschwingung, hat viele Oberwellen und keine stabile Polarisation.
Die Saitenschwingungsmodelle mit Grundschwingungen und Schwingungsbäuchen in Mensurmitte, die man so üblicherweise als Erklärungsversuche angeboten bekommt, haben mit den realen Schwingungsformen ziemlich wenig zu tun.
Eine stärkere Krümmung zur Kopfplatte hin, kann "paradoxerweise" niedrigere Saitenlagen mit geringerer Schnarrneigung ermöglich.
Zum Halsfuss hin sollte die Krümmung eher flacher werden, oder sogar etwas "fallaway" aufweisen, auch das kann zumindest bei (E-)Gitarren Saitenschnarren bei niedrigen Saitenlagen vermindern.
Ich halte also einen seriellen Doppeltrussrod nicht für nicht zielführend. Ein Einfacher ist es, weil der bei der Länge des Halses eher das von mir beschriebene Längsprofil des Halses ermöglicht, quasi von ganz allein.
Auch parallele (Doppel-) Trussrods, wie sie bspw. Rickenbacker verwendet, sind eher problematisch, als dass sie Probleme lösen. Die garantieren nämlich eine Vertwistung des Halses. Gleichzeitig beweisen sie aber auch, dass ein vertwisteter Hals nicht unbedingt unbespielbar wird. Eine Korrektur ist eh unmöglich, bzw. wirtschaftlicher Unsinn. 8)

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Re: 2x Truss Rod seriell einbauen. Meinungen, Erfahrung?

#3

Beitrag von Slight Return » 20.11.2018, 03:02

Danke für die Ausführung, sehr spannend! Ein Stück weit kann ich das nachvollziehen, allerdings noch nicht ganz ;-)
Darf ich fragen, worauf deine diesbezügliche Erfahrung beruht? Hast du das wiederholt beobachtet oder sogar Versuche dazu angestellt? Bitte fasse diese Fragen nicht provokativ auf ;-) Im Gegenteil, ich frage aus grossem Respekt heraus und aus Freude darüber, lernen zu dürfen.

Ich habe auch schon in diese Richtung nachgedacht. SloMo-Aufnahmen von Saiten zeigen dieses Verhalten sehr schön. Der maximale Ausschlag der Saite ist dennoch immer in deren Mitte.

Ich mag Details und gebe ich mich noch nicht zufrieden. So giesse ich etwas Öl ins Feuer :-)
Deiner Aussage Gegenüber steht folgende Antwort, welche ich von einem professionellen Gitarrenbauer erhalten habe:
-------------------------------
(mit freundlicher Genehmigung zum zitieren)
"Es ist tatsächlich so, dass der Halsstab überhaupt nicht wirklich berechnet wurde oder so ausgelegt wäre, wie es eine optimale Kurve es verlangt.
Man hat es halt schon immer so gemacht.
Schaut man sich die Bilder der kurven auf Plekmaschinen im Internet an, dann sind da immer Kurven zu sehen, deren tiefster Punkt etwa um den 17.-19. Bund liegt.
Also nicht so wie ein Seil die tiefste Stelle in der Mitte hat.
Auch Fender gibt seine Saitenlagen beim Bass am 17. Bund an.
Das macht durchaus Sinn.

Dem wiedersinnig ist dann die Theorie, dass man mit einem möglichst geraden Schleifklotz alles möglichst gerade macht.
Ist auch aus unserer Abrichterfahrung Quatsch.
Die abgerichteten Bünde sollen eben diesen optimalen Kurvenverlauf haben. Das macht man mit der Bundierwippe und einem 250er Schleifklotz."
-------------------------

Interessant wäre auch eine Aussage eines Geigenbauers. Da wird doch die Kurve direkt ins Griffbrett eingearbeitet(?)

Unabhängig davon, wie die perfekte Kurve aussieht, mit einem seriellen Doppeltrussrod könnte man beide Varianten oder auch einen regelmässigen Radius recht präzise einstellen, nicht? Wenn man will sogar ein "S" :-P

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Re: 2x Truss Rod seriell einbauen. Meinungen, Erfahrung?

#4

Beitrag von capricky » 20.11.2018, 09:59

Slight Return hat geschrieben:
20.11.2018, 03:02
Der maximale Ausschlag der Saite ist dennoch immer in deren Mitte.
Das ist ein Irrtum. Die vielen Bilder zeigen meist nur die ausschwingende Saite, ein Teil der Oberwellen sind schon verschwunden.
Der "Moment der Wahrheit" ist sofort nach dem Anschlag der Saite, die größte Amplitude wird mit dem Plektrum oder mit Finger oder Daumen der Anschlaghand generiert und die schlagen die Saite selten in deren jeweiligen Mitte an. Dieser Anschlag verursacht eine Welle, die nun auf der Saite zwischen Greifposition und Steg hin und her flitzt, aber auch relativ schnell abkingt.
Sofort oder kurz nach Anschlag entstehen ja auch die meisten Schnarrgeräusche der Saiten an den Bünden und meist zwischen Sattel und 5. Bund. Das ist so bei ziemlich allen Gitarren und Bässen, natürlich von der Saitenlage abhängig.
Slight Return hat geschrieben:
20.11.2018, 03:02

Schaut man sich die Bilder der kurven auf Plekmaschinen im Internet an, dann sind da immer Kurven zu sehen, deren tiefster Punkt etwa um den 17.-19. Bund liegt.
Also nicht so wie ein Seil die tiefste Stelle in der Mitte hat.
Auch Fender gibt seine Saitenlagen beim Bass am 17. Bund an.
Das macht durchaus Sinn.
Nee, macht keinen Sinn. Der tiefste Punkt (Abstand zwischen Saite und Bundkrone sollte immer am letzten Bund sein, weil Saiten ja nicht parallel zum Griffbrett laufen, sondern leicht ansteigend zum Steg hin. Wenn die Krümmung ab 17. Bund wieder ansteigt, gibt es ja beim Greifen in diesen Lagen wieder Probleme mit Schnarren. Deshalb ja auch die "fall away" Methode zur Lösung dieses Problems, das auch gerne bei Schraubhälsen mit "tilt neck" Einstellmöglichkeit per Madenschraube zu finden ist, weil der Hals da durch den Dauerdruck verbogen wird
Slight Return hat geschrieben:
20.11.2018, 03:02
Dem wiedersinnig ist dann die Theorie, dass man mit einem möglichst geraden Schleifklotz alles möglichst gerade macht.
Ist auch aus unserer Abrichterfahrung Quatsch.
Die abgerichteten Bünde sollen eben diesen optimalen Kurvenverlauf haben. Das macht man mit der Bundierwippe und einem 250er Schleifklotz."
So widersinnig ist das gar nicht (vielleicht auch nicht so gemeint). Widersinnig ist nur einen Schleifklotz zu nehmen, der die gleiche Länge hat oder länger ist, als das zu bearbeitende Griffbrett. Damit schleift man sich ziemlich sicher das fall away auf die falsche Seite, nämlich am Sattel, weil die Bünde weiter und schmaler stehen, als am Halsfuß. De Abtragleistung ist bei den ersten Bünden einfach größer.
Richtig ist jedenfalls einen kurzen Schleifklotz zu benutzen, wegen der besseren Kontrolle. Meine Klötze sind so lang wie ein Bogen Schleifpapier breit ist, also etwa 20cm, das gibt keinen Verschnitt beim "kostbaren" Schleifpapier. ;)

Slight Return hat geschrieben:
20.11.2018, 03:02
Interessant wäre auch eine Aussage eines Geigenbauers. Da wird doch die Kurve direkt ins Griffbrett eingearbeitet(?)
Das Schwingungsbild einer Saite auf einem Streichinstrument sieht anders aus, als bei einem Zupfinstrument, es gibt praktisch keine Grundschwingung (nur beim Pizzicato), sondern immer nur die erste Oberwelle, also zwei Wellen (plus Harmonische) rechts und links neben dem Bogenstrich. Da passt dann die Griffbretthöhlung.
Slight Return hat geschrieben:
20.11.2018, 03:02
Unabhängig davon, wie die perfekte Kurve aussieht, mit einem seriellen Doppeltrussrod könnte man beide Varianten oder auch einen regelmässigen Radius recht präzise einstellen, nicht? Wenn man will sogar ein "S" :-P
In der Theorie schon, aber in der Praxis wird es alles andere als einfach sein, die Buckel und Senken an die Stellen zu platzieren, wo man sie bei Bedarf braucht. Da schleife ich lieber.... 8)

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Re: 2x Truss Rod seriell einbauen. Meinungen, Erfahrung?

#5

Beitrag von Slight Return » 20.11.2018, 15:32

capricky hat geschrieben:
20.11.2018, 09:59
Slight Return hat geschrieben:
20.11.2018, 03:02
Der maximale Ausschlag der Saite ist dennoch immer in deren Mitte.
Das ist ein Irrtum. Die vielen Bilder zeigen meist nur die ausschwingende Saite, ein Teil der Oberwellen sind schon verschwunden.
Der "Moment der Wahrheit" ist sofort nach dem Anschlag der Saite, die größte Amplitude wird mit dem Plektrum oder mit Finger oder Daumen der Anschlaghand generiert und die schlagen die Saite selten in deren jeweiligen Mitte an. Dieser Anschlag verursacht eine Welle, die nun auf der Saite zwischen Greifposition und Steg hin und her flitzt, aber auch relativ schnell abkingt.
Ah, danke für die Korrektur! Das dieser erste Impuls nach dem Anschlag so stark ist, war mir nicht bewusst.
Hier sieht man das sehr schön. Allerdings nicht, wie sich die Bewegung nach dem Anschlag weiter entwickelt:
https://www.youtube.com/watch?v=_X72on6CSL0

capricky hat geschrieben:
20.11.2018, 09:59
Nee, macht keinen Sinn. Der tiefste Punkt (Abstand zwischen Saite und Bundkrone sollte immer am letzten Bund sein, weil Saiten ja nicht parallel zum Griffbrett laufen, sondern leicht ansteigend zum Steg hin. Wenn die Krümmung ab 17. Bund wieder ansteigt, gibt es ja beim Greifen in diesen Lagen wieder Probleme mit Schnarren.
Das ist klar. Ich bin mir sicher, dass der zitierte Herr dies auch so sieht und umsetzt. Was er meint (so wie ich es verstanden habe), ist der tiefste Punkt zwischen erstem und letztem Bund, nicht zwischen Sattel und Steg.

Gut, ich bin überzeugt :-) Besten Dank für die Weiterbildung und deine Zeit!! Das war sehr aufschlussreich.

Interessieren würde mich nun nur noch eine Erklärung von Emmett Chapman zu seinem seriellen Trussrod im Railboard. Bei einem solchen High Tech-Instrument wird dies sicher eine Berechtigung haben.

Falls doch mal jemand den Versuch wagt, dies in einem Bass oder einer Gitarre aus zu probieren, darf er/sie gerne die Erfahrung hier rein posten.

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