Archtop-Ukulele

Wie baue ich mir eine Semiakustische- oder Archtopgitarre

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kachelofen
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Archtop-Ukulele

#1

Beitrag von kachelofen » 12.05.2018, 22:00

Liebes Forum,
Ich möchte mich und mein Projekt des professionellen Dilettantismus kurz vorstellen:
Seit einigen Jahren spiele ich mehr oder weniger erfolgreich Gitarre, und alles andere mit Saiten, was mir zwischen die Finger kommt. Zusätzlich zu dieser Leidenschaft zimmere ich gern mal was aus Holzresten zusammen, um mir einen Ausgleich zum theoretischem Studium zu schaffen. Bisher empfinde ich das als äußerst entspannend, auch wenn diese Tugend hauptsächlich aus der Not der dauerknappen Kasse geboren wurde. So hab ich das eine oder andere Regal, Rausfallgitter oä für meine Tochter gebastlet, immer nach der Devise gut und günstig, immer abends am Schreib(!)tisch, immer mit minimalem Budget.
Seit ein paar Monaten widme ich mich jedoch verstärkt eigennützigen Projekten, wie einem Gitarren-Rack oder der Entbündigung meines alten E-Basses, und nun der aufkeimenden Idee, eine vollständige Gitarre zu basteln, und nein, keine E-Gitarre soll es werden, sondern gleich das reizende Projekt Archtop-Gitarre.
Da ich aus zahlreichen Berichten und ausgeliehen Büchern inzwischen ganz gut abschätzen kann, dass eine ausgewachsene Archtop-Gitarre sowohl von Material als auch Werkzeugkosten schnell mal in den vierstelligen Bereich gehen kann, haben ich und meine liebreizende Partnerin gemeinsam entschieden, mein bewährtes Konzept des kleinsten Preises fortzuführen und zunächst meine handwerkliche Versiertheit an einer Restholz-Archtop-Ukulele zu testen. Neuanschaffung hierfür waren lediglich ein paar Blatt Schmiergelpapier, eine dieser Schwanenhalz-Ziehklingen und ein Hohl-Stechbeitel, all together ~25 €. Der Rest soll nach Möglichkeit on-the-go entwickelt und Improvisiert werden.
Ich habe mir aufgrund akuten Zeitmangels natürlich nur einen ganz groben Fahrplan im Kopf zurecht gelegt und entscheide erst, wenn Decke und Boden hinreichend zufriedenstellend sind, ob und wie es mit Zargen oder Hals weitergehen wird.

Grundlage der Decke, bei der ich angefangen habe, ist ein geleimtes Reststück einer Küchenarbeitsplatte aus verschieden Hölzern, bin mir garnicht sicher, was alles dabei ist: was helles, was dunkles, was sprödes, was mit Astloch - spricht jedenfalls für einen überraschenden Klang. Wo ich mir allerdings sicher bin, ist, dass das Brett furztrocken ist, liegt nämlich seit 7 Jahren im durch Fernwärme dauerwarmen Keller. Nun, jetzt hab ich eben mit einem Stück angefangen und grob die Form der Spielzeug-Ukulele meiner Tochter aufgemalt, ein bisschen hin und her überlegt und schließlich doch die Form einer klassischen Archtop runterskaliert und dann mit Hilfe von aus Karton ausgeschnittenen Höhenlinien und einen Tiefenstopp am Akkuschrauber ein paar Vorbohrungen gemacht.
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Und da fängt der Pfusch schon an, natürlich die Hälfte der Löcher nicht im Lot gebohrt, aber egal, solche Abweichungen machen meine Arbeitsweise erstens aus und sind zweitens grosszügig genug einkalkuliert. Mit dem Hohlbeitel und ein paar normalen Stechbeiteln habe ich dann die grobe Form der Oberseite herausgearbeitet, wobei mir schnell klar wurde, dass ohne geeignete Halterung die andere Reihenfolge - erst Innen, dann Außenseite - geschickter gewesen wäre. Aber nun, in Benedettos Buch gehts ja in jedem zweiten Zitat darum, solche Dummheiten selbst mal zu machen, um dran zu wachsen :)
Mit Ziehklinge und Schmiergelpapier hab ich dann die Form geglättet, beim groben Aussägen der Gesamtkontur war ich derweil so unvorsichtig, dass ich mir eine Kante reingesägt habe. Da ich jedoch nicht aufhören wollte, habe ich mir die überlegenen klanglichen Eigenschaften von meinen Epoxid-Harz-Restbeständen zunutze gemacht und bin dabei, die Kante wieder aufzufüllen. Das spröde Astloch hab ich ebenfalls mit einigen Tropfen wieder zugemacht und an die restliche Form angepasst - fällt kaum auf :D
Fotos der Außenausarbeitung habe ich leider nicht, nur das vorläufige Endresultat, mit dem ich recht zufrieden bin. Meine Tochter meinte, es fühlt sich so weich an wie Katzenfell, meine Freundin meinte, jetzt, wo ich damit fertig sei, könne ich mich ja mal wieder anderen Dingen widmen - von wegen.
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Bemerkenswert finde ich, dass die Krümmung trotz freihändigem Arbeiten recht symmetrisch geworden ist. Meine Pappschablonen waren einfach zu ungenau, um danach zu arbeiten, deshalb hab ich es schnell sein lassen und nach Gefühl geschabt.
Um das Ausarbeiten der Rückseite zu ermöglichen, habe ich die Vorderseite einfach auf 2 Hilfsbretter gelegt und wieder nach Gefühl losgeschnitzt. Als es langsam unvermeidlich wurde, hab ich mir fix ein groben Dicke-Messer gebastelt, um eine ungefähre Gleichmäßigkeit der Dicke hinzubekommen.
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Der Plan ist, eine gleichmäßige Stärke von 4,5 mm hinzubekommen, bis auf den Bereich der ReCurve, den ich schon vorgearbeitet habe, dort geht es in die Größenordnung von 3,5 mm. Hoffentlich hält das dem Druck von 4 Saiten stand - ich werd's ja sehn.
Beim weiteren Abtragen ist mir immer mehr der beinahe anmutige Ton der Decke beim Klopfen aufgefallen - vielleicht wird das ja klanglich doch was. Ich, ohne Erfahrungen, hätte jedenfalls nicht gedacht, dass sich das alte Küchenbrett so schick anhören kann. Abgesehen davon bin ich rein optisch schon ziemlich zufrieden, irgendwie sieht's echt stark aus mit den verschiedenen Holzarten ;)
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Da ich die dicke Arbeitsplatte mit 2,9 cm Stärke verwende, hab ich keinen richtigen Anhaltspunkt für die passende Dicke und hab durch meine Salamitaktik beim Ausarbeiten der Decke auch keine plane Unterseite mehr - nächstes Mal von Anfang an auf eine Dicke der Decke einigen, lesson learned ;)
Somit ist jedoch der nächste Arbeitsschritt, die Decke auf der Rückseite so plan zu bekommen, dass sie ohne Druck spaltlos auf einem potentiellem Zargenkranz liegen kann. Dazu ziehe ich die Decke immer wieder über 180er Sandpapier, um mögliche High-spots einzuebnen. Die Schwierigkeit dabei ist, überhaupt Material abzunehmen, ohne durch den Druck beim Ziehen die Decke schon so zu verbiegen, dass sie nicht mehr ihre Ruheform hat. Mal sehen, wie sich das weiter gestaltet, vielleicht guck ich mal nach so Farbpapier, an dem dann die High Spots sichtbar werden.
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Wen ich damit fertig sein werde, würde ich gerne die Innenseite mit feinem Sandpapier hübsch machen, die Klanglöcher aufzeichnen und gerne die endgültigen Umrisse aussägen (evtl unter weiterer Zugabe von Epoxy).
Da ich mit meiner Familie die nächsten drei Monate umziehe, urlaube und ein weiteres Kind zur Welt bringen will, kann sich das alles, sowie alle weiteren Schritte beliebig lange nach hinten ziehen.
Es hat mir jedenfalls immer viel Spaß gemacht, Bauberichte mitzulesen, und auch wenn mein Projekt langsam vorranschreitet, versuche ich, je nach Resonsanz, meine Fortschritte interessierten Lesern verfügbar zu machen. Meine zweifelhafte Arbeitsweise ist mir bewusst, manche Risiken (wie die völlig zugestaubte Computertastatur meines Schreibtisches, die mir meine Arbeit bei der nächsten Hausarbeit bestimmt danken wird) ignoriere ich willens, oder, schlimmer noch, kenne sie garnicht, aber zusammen mit einem Bier, schöner Musik und Gott weiß welcher Athmosphäre ist die Arbeit an einem Instrument, das möglicherweise sogar mal funktionieren könnte, extrem motivierend, spannend und entspannend zugleich.
bin gespannt auf Feedback, fachlich und persönlich

schönen Gruß
kachelofen

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Re: Archtop-Ukulele

#2

Beitrag von capricky » 13.05.2018, 16:39

Willkommen im Forum!
"Kachelofen" und Battersea Power Station im Profilbild... bist Du (Kohle-) Kraftwerker? ... oder nur Pink Floyd Fan? 8) ;)

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Re: Archtop-Ukulele

#3

Beitrag von Poldi » 13.05.2018, 21:21

Willkommen und schon mal danke für den den Baubericht.
Deine Arbeitsweise und das herangehen an das Projekt finde ich echt interessant.

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